Es ist ein Virus, das keinen Schaden anrichtet, aber süchtig macht und extrem viel Geld kosten kann: Galanthomanie. Die große Liebe für Schneeglöckchen, botanisch Galanthus. In diesen Tagen erlebt diese Manie wieder ihren Höhepunkt. Am letzten Wochenende wurde in England „Golden Tears“ um nicht weniger als 1.850 Pfund (rund 2.200 Euro!) verkauft.
Sie sind seit Jahrhunderten Begleiter in den Gärten, aber erst seit einigen Jahrzehnten sind sie das Objekt der Begierde. Natürlich waren es die Briten, die mit dem Sammeln und Züchten begonnen haben, doch mittlerweile zieht die Lust auf immer ausgefallenere Schneeglöckchen immer weitere Kreise. Wer einmal in den Online-Shops surft, wird staunen. Die gehen die Preise bis weit über 100 Euro hinauf. Bis letztes Wochenende kostete das teuerste Schneeglöckchen, das je verkauft wurde (wir sprechen immer nur über eine einzige Zwiebel!) mehr als 1.700 Euro.
Christian Kreß – ein Sammler
Einer, der schon von Beginn an Sammler und Vermehrer war, ist Christian Kreß aus dem oö. Innviertel. In seiner Gärtnerei in Ort im Innkreis stehen 350 verschiedene Sorten und Arten. Manche so rar, dass sie gar nicht angeschrieben werden, damit hier niemand auf dumme Gedanken kommt.
Mittlerweile soll es an die 2.000 verschiedene Sorten geben. Bei mir im Garten sind es nun an die 60 und man kommt wirklich ins Staunen, welche Launen die Natur entwickelt. Da gibt es Sorten mit gelben Fruchtknoten, bei anderen sind die Blütenblätter zerfledert, als ob sie unter einen Häcksler gekommen sind und wieder andere weisen gefüllte Blüten auf. Mich begeistert die Vielfalt einerseits und andererseits die Wuchsfreude von manchen Sorten. Einige Hundert habe ich in den letzten Jahren unter meiner Wildsträucherhecke gesetzt, nun sind aber schon einige Tausend daraus geworden.
Vermehrung auf zweierlei Art
Galanthus nivalis, das ganz normale Schneeglöckchen, vermehrt sich auf zweierlei Art: einerseits durch Nebenzwiebeln, andererseits durch Samen. Und genau diese sind es, die durch Kreuzungen ganz außergewöhnliche neue Variationen hervorbringen. Allerdings geht es mir eher um die Gesamtwirkung. Und so werden sie, wenn sie zu dicht stehen, gleich nach dem Abblühen aus der Erde genommen, geteilt und wieder gepflanzt. „In the green“, nennen das die Briten, die bei den Schneeglöckchen ganz große Erfahrung haben.
Die wirklichen „Juwelen“ stehen zum Teil in Töpfen, die ich in die Erde eingesenkt habe, um sie nicht zu verwechseln, denn Namensetiketten gehen leider oft verloren. Und so steckt – versteckt im Topf – ein zweites Schild.
Die Manie dauert nur einige Wochen, dann verschwinden die kleinen Frühlingsboten, ehe sie im kommenden Jahr wieder kommen. Manchmal auch an ganz anderen Stellen, denn die Wühlmäuse sind eifrige Sammler und Verschlepper. Doch oft fühlen sich die Pflanzen an den neuen Stellen so wohl, dass sie sich noch mehr vermehren. Auch eine Laune der Natur – oder deren Manie.
Fragen an Christian Kreß
Wie viele Schneeglöckchen Sorten findet man in der Gärtnerei?
Zurzeit sind es 350 und dabei bleibt es, für kommerzielle Zwecke ist dies schon viel zu viel. Angeboten werden pro Jahr nur immer 50 Sorten.
Stimmt es, dass es dieses Jahr keinen Verkauf gibt und warum?
Ja, der Ansturm war letztes Jahr so groß, dass die Pflanzen erst wieder nachwachsen müssen. Daher gibt’s keinen Online-Verkauf, in der Gärtnerei bekommt man aber die Schneeglöckchen.
Wie meinst du, ist es zu der Manie gekommen?
Es begann in England, dort ist der Boom aber über dem Zenit. Bei uns am Kontinent ist der Hype ungebrochen. Aber es nehmen Anbieter zu – private und kommerzielle.
Welche sind deine Favoriten?
Diggory, Primerose Warburg, Walrus. Alle sehen ein wenig anders aus – das ist für mich das Wichtigste. Stolz bin ich aber auf meine eigenen Züchtungen: Aprilglöckchen, das ganz spät blüht. So wie Spätzünder, Struwwelpeter oder Puppenglöckchen.