Sie liebte nie die große Bühne, suchte das persönliche Gespräch und war am liebsten in ihrem eigenen Garten. Marie-Luise Kreuter ist genau vor zehn Jahren, am 17. Mai 2009 nach kurzer schwerer Krankheit verstorben und hinterließ ein Erbe, von dem Millionen Menschen zehren. Ihr Buch „Der Biogarten“ (BLV-Verlag) ist das meistverkaufte deutschsprachige Gartenbuch.
Erfolgreichste Gartenbuchautorin
Geschätzte Gesamtauflage: rund zwei Millionen Exemplare, Marie-Luise Kreuter ist damit die erfolgreichste Gartenbuchautorin. Das Buch ist gerade in der 28. Auflage neu erschienen und nach wie vor das Standardwerk. Ihren Ruhm verdankte sie ihrer Leidenschaft zum Garten.
Als Kind hatte sie schon im Garten der Großmutter in Köln gegärtnert, in ihrem Garten im Bergischen Land verwirklichte sie dann ihre Träume: Ein altes Haus sanierte sie ausschließlich mit Naturmaterialien und legt einen großen Biogarten mit vielen Blumen, Kräutern und Gemüse an. 1979 erschien ihr erstes Buch: „Kräuter und Gewürze aus dem eigenen Garten“ (BLV-Verlag). 1981 folgte der Longseller „Der Biogarten“!
„Vielfalt ist das Um und Auf“, predigte sie immer. Wenn wir heute über Schutz für Bienen, Insekten und anderen Tieren sprechen, dann müssten wir nur einige Jahrzehnte zurückblättern: Marie-Luise Kreuter, die langjährige Herausgeberin der Biogartenzeitschrift kraut&rüben hat mir bei den vielen Interviews eines immer wieder klar gemacht: Biogärtnern ist nicht ein Weiterbetreiben des herkömmlichen Gärtners ohne Chemie und Gift.
IHRE Botschaft, die sie auch in ihren Büchern niedergeschrieben hat, gelten noch immer: Die bunte Mischung an Pflanzen schafft das, was für das ökologische Gleichgewicht notwendig ist und letztlich zu dem wird, was wir als „grünes Paradies“ erträumen: Zulassen, statt ständig eingreifen! Geduld, statt schnelle Lösungen suchen! Gelassenheit, wenn manches nicht sofort gelingt.
Bei den mehr als 170 Gesprächen mit ihr durfte ich ihren Garten zu allen Jahreszeiten erleben. Gartenspaziergänge waren wie das Blättern in einem Lehrbuch fürs naturgemäße Gärtnern: Dort ein Nützlingsquartier, da ein Beet mit Blüten, die Schmetterlinge anlocken, dort Nistplätze in der Wildsträucherhecke für die Vögel.
Stundenlang saßen wir oft im Garten bei den Interviews. Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen entstand für die Zuhörer das ideale Bild eines „Biogarten-Paradieses“. Wenn wir heute wieder über Agrarwüsten, Monokulturen oder auch über die unseligen Vorgärten sprechen, die den Schaugärten eines Kieswerks gleichen, dann ist das alles bereits bei der „Mutter des Biogärtnerns“ im deutschsprachigen Raum nachzulesen. Sie war es, die all das, was damals von den Bio-Pionieren erforscht wurde, in eine für die breite Masse lesbare Form gebracht hat.
Im Garten von Marie-Luise Kreuter stand eine mächtige Haselnuss mit dicken Ästen an einer Mauer. Die Wurzeln haben viele Teile der Steine herausgedrückt, man könnte sagen, zerstört. Doch die Biogärtnerin öffnete mir damals die Augen: „Setzen wir uns hin und beobachten wir, wie viel Leben in den Ritzen und den modrigen Resten der abgestorbenen Stämme zu finden ist!“ Marienkäfer, Laufkäfer, Florfliegen – sie alle haben in dieser Ruine einen Unterschlupf gefunden. So gilt seither für mich: Unordnung ist an manchen Stellen die viel größere Ordnung. Gerade jetzt im Mai, wo an allen Ecken und Enden des Gartens die Üppigkeit des Wachstums beginnt, lohnt sich die Zurückhaltung und das Beobachten. Marie-Luise Kreuter hat es mich gelehrt.